Haben Sie häufig Kopfschmerzen oder Rückenbeschwerden? Falls kein anderer Arzt die Ursache findet, könnte sich ein Besuch beim Zahnarzt lohnen – denn es wäre möglich, dass Ihr Biss nicht stimmt.
Mächtig unter Druck: Stress zählt zu den Hauptursachen eines zunehmend verbreiteten Krankheitsbildes – Zahnärzte sprechen von Craniomandibulärer Dysfunktion (CMD). Sie bezeichnen damit verschiedene Beschwerden, die auf einer Fehlstellung der Kiefergelenke oder auf Verspannungen der Kaumuskulatur beruhen.
Funktionsstörungen im Kiefer beeinträchtigen nicht nur den Kauvorgang und die Zahngesundheit, sie können sich darüber hinaus auf andere Körperbereiche auswirken. Zu den möglichen Folgen zählen vor allem Kopf- und Nackenschmerzen, aber auch Rückenbeschwerden oder Nervenschmerzen im Gesicht.
Komplexe Diagnose
Wenn immer wieder der Schädel brummt oder es im Rücken zwickt, denkt kaum ein Mensch zuerst an die Zähne. Oft auch der Hausarzt nicht. Viele Patienten haben deshalb schon eine kleine „Odyssee“ hinter sich – vom Hausarzt zu verschiedenen Fachärzten –, bis sie schließlich dem Zahnarzt ihr Problem schildern. Er kann mit speziellen Diagnosemethoden feststellen, ob hinter den Beschwerden eine Fehlfunktion der Kiefergelenke steckt: Zahnmediziner sprechen von der so genannten Funktionsanalyse. Ziel dieser komplexen Methode ist es, mögliche krankmachende Veränderungen im Wechselspiel von Zähnen, Muskeln und Kiefergelenk festzustellen. Dazu untersucht der Zahnarzt zunächst manuell die Kaumuskulatur und Kieferbeweglichkeit; anschließend erfolgt eine instrumentelle Diagnose mit speziellen Messgeräten. Die Kosten einer Funktionsanalyse werden von den gesetzlichen Krankenkassen allerdings nicht erstattet – sie muss daher nach der Gebührenordnung für Zahnärzte als Privatleistung abgerechnet werden. Mögliche Ursachen einer Craniomandibulären Dysfunktion sind nicht nur Stress und ständige Anspannung. Die Gründe können durchaus auch im Mund zu finden sein – wie etwa Zahnfehlstellungen, zu hohe Füllungen oder Kronen, schlecht sitzender oder schadhafter Zahnersatz sowie Lücken im Seitenzahnbereich. In diesen Fällen kann der Zahnarzt schnell helfen, indem er zum Beispiel eine überstehende Füllung einschleift oder neuen, funktionsgerechten Zahnersatz eingliedert. Manchmal erweist sich aber auch eine kieferorthopädische Behandlung als nötig. Welche Therapie im Einzelfall erforderlich ist, stellt der Zahnarzt aufgrund der jeweiligen Diagnose fest.
Hauptsymptom Zähneknirschen
Zu den häufigsten Symptomen der CMD zählt das Zähneknirschen. Viele Menschen beißen sich im wahrsten Sinne des Wortes durchs Leben – meistens in der Nacht und in aller Regel völlig unbewusst: Das Knirschen erfolgt oft in Traumphasen, in denen das Gehirn seelische Belastungen verarbeitet. Die Betroffenen bemerken daher gar nichts von ihren nächtlichen Aktivitäten – sie spüren nur irgendwann Kopfschmerzen oder starke Verspannungen der Kau- und Nackenmuskulatur.
Wer im Schlaf mit den Zähnen knirscht, führt dabei stark pressende oder mahlende Kaubewegungen aus: Ihr Druck kann bis zu zehnmal höher sein als beim normalen Essen. Passiert das regelmäßig, leiden die Zähne enorm – an Kauflächen und Schneidekanten erfolgt starker Abrieb, es entstehen Risse im Zahnschmelz, einzelne Zähne können sich lockern oder zerbrechen. Im schlimmsten Fall werden die Zähne über Jahre bis auf kleine Stümpfe abgeschliffen. Das unwillkürliche Zubeißen schadet aber nicht nur dem Gebiss. Die übermäßige Anspannung der Muskeln löst häufig auch Schmerzen in der Kaumuskulatur und den Kiefergelenken aus. Das kann dazu führen, dass sich der Mund nur noch eingeschränkt öffnen lässt – auch Reibe- oder Knackgeräusche im Kiefergelenk treten häufig auf.
Eine Schiene schützt
Die Behandlung der Craniomandibulären Dysfunktion hängt von der jeweiligen Diagnose ab. Knirscht der Betroffene mit den Zähnen, kann der Zahnarzt Entlastung schaffen, indem er für seinen Patienten eine individuelle Aufbissschiene anfertigen lässt. Sie wird nachts auf die Zahnreihe gesetzt, um das Gebiss vor weiterem Abrieb zu schützen. Gleichzeitig vermindert die Schiene den Druck auf die Kiefergelenke und bewirkt so eine spürbare Entspannung der Kaumuskulatur. Eine Aufbissschiene verhindert zwar das Knirschen – gegen Stress und seelische Probleme kann sie jedoch nicht helfen. Der Zahnarzt wird daher oftmals zusätzlich eine Entspannungstherapie empfehlen. Bei hoher psychischer Belastung haben sich ergänzend zur zahnmedizinischen Behandlung eine Physiotherapie zur Lockerung der Kaumuskulatur sowie psychotherapeutische Unterstützung bewährt.
Manchmal knirschen schon Kinder
Unter nächtlichem Zähneknirschen können bereits Kinder und Jugendliche leiden. Wenn sie über Schmerzen im Kieferbereich oder Schwierigkeiten beim Öffnen des Mundes klagen, sollten die Eltern unbedingt den Zahnarzt zu Rate ziehen. Wird das Problem bei Kindern nicht rechtzeitig und fachgerecht behandelt, drohen langfristige Zahnschäden. Auch bei jungen Menschen kann das nächtliche Zähneknirschen verschiedene Ursachen haben – häufig stehen selbst sie schon unter Leistungsdruck und Stress. Welche Behandlung der Zahnarzt vorschlägt, hängt unter anderem davon ab, wie alt der Patient ist und wie viele bleibende Zähne schon vorhanden sind.
Quelle: LÜCKENLOS Jan|Feb|Mär2012
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